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Kronen Zeitung

04.06.2025, 08:00 Uhr
SK Sturm GrazFC Inter Mailand

MIT DORFKLUB IN LIGA 1

Spendlhofer: „Wusste gar nicht, wo Nieciecza ist!“

Hannes Maierhofer

Lang ist‘s her, da hat das heuer in der Champions League groß aufspielende Inter Mailand das Talent von Lukas Spendlhofer erkannt und ihn nach Mailand gelotst. Später hat der Polizistensohn aus Niederösterreich seine Knochen für den voriges Jahr und heuer in Österreich groß aufspielenden SK Sturm hingehalten. Und dieser Tage erst ist er in die Ekstraklasa, die höchste Liga Polens aufgestiegen -mit einem Klub aus einem 700-Einwohner-Dorf …


Genau dort, im kleinen Nieciecza im Südosten Polens, hat sportkrone.at den Ex-Inter- und Sturm-Spieler Spendlhofer besucht und mit ihm über die Neu-Definierung des Begriffs „Dorf-Klub“, die bizarre Allgegenwart von Elefanten und das Abenteuer Polen im Allgemeinen gesprochen …

krone.at: Und ja, werte Zuschauer, wir sind tatsächlich im Südosten Polens und nicht etwa irgendwo in Afrika oder Indien – auch wenn unser interessiertes Publikum im Hintergrund anderes vermuten lässt. Von daher gleich vorweg die Frage an den polnischen Quasi-Einheimischen: Was hat‘s mit den Rüsseltieren in Nieciecza auf sich?
Lukas Spendlhofer: (schüttelt lächelnd den Kopf) Das kann ich leider auch nicht erklären, das ist … (denkt eine Elefanten-Miniatur betrachtend nach) … Ich glaube, als Vereinswappen sind eher ein Adler oder andere Tiere bekannt, der Elefant ist für Europa schon sehr besonders ...

Bild: Tomasz Madejski

krone.at: Ist auch nicht gerade ein sehr Fußball-affines Tier, könnte man meinen …
Spendlhofer: Nein, überhaupt nicht! Ich glaube, dass das eher mit dem Vereinsnamen, mit Bruk-Bet, mit dem Sponsor, der hier dahintersteht, zu tun hat. Es ist immerhin das Wappentier von Bruk-Bet, wenn man das so benennen will ...

krone.at: Du sprichst es an – hinter dem Klub steht ein reicher Gönner, ein Baustoffunternehmer. Was bekommt man als Spieler von dem Mann mit, der hier in Nieciecza wohl der größte Elefanten-Fan und Alles-Ermöglicher in Sachen Fußball ist?
Spendlhofer: Die Firma wird von einer Familie geführt, einem Ehepaar – und der fußballerische Part ist eher das Hobby der Gattin, da trifft sie die Entscheidungen. Sie ist die Präsidentin im Verein und auch diejenige, die mit der Mannschaft kommuniziert. Ihr Mann ist, was den Fußball-Verein betrifft, komplett im Hintergrund, er kommt zwar zu den Spielen, aber außerhalb von den Spielen …

krone.at: Die Familie ist gebürtig aus Nieciecza?
Spendlhofer: Ja, genau! Sie sind gebürtig aus dem Ort und es der Fußball-Verein ist einfach ihre Leidenschaft, so viel hab’ ich in den zwei Jahren hier mitbekommen. Sie wollten einfach einen erfolgreichen Fußball-Verein in ihrem Heimatdorf haben.

krone.at: Im Gegensatz zu uns beiden hat der Herr Witkowski, der Baustoffunternehmer, der Mann der Präsidentin, sogar einen päpstlichen Orden verliehen bekommen – ich mein’, wir sind im generell sehr christlich geprägten Polen, aber geht’s bei euch im Klub noch einmal christlicher zu als woanders?
Spendlhofer: Ja, das kann man schon sagen! Ich war jetzt schon in vielen Ländern mit verschiedenen Religionen, aber was das Christentum angeht, ist das hier schon noch einmal eine andere Stufe. Wir haben auch einen Pfarrer, der – zwar sporadisch, aber doch – pro Saison drei oder vier Mal zu uns in die Kabine kommt und eine kleine Ansprache hält. Wir waren als Mannschaft auch schon öfters bei einer Messe in der Kirche gleich neben dem Stadion ...

krone.at: Die auch von der Familie Witkowski errichtet wurde …
Spendlhofer: Genau! Generell ist Polen ein sehr, sehr gläubiges Land, das bekommt man überall mit. So kannte ich es von Österreich nicht: Bei uns gibt’s einmal am Sonntag die Messe und hier gehen die Leute mehrmals täglich in die Kirche. Täglich sind hier drei, vier Messen – und die sind auch gut besucht!

Bild: Tomasz Madejski

krone.at: Ich lehne mich, befürchte ich einmal, eher nicht weit aus dem Fenster, wenn ich vermute, dass kaum Fußball-Fans in Österreich wissen, wo Nieciecza liegt – und dass noch weniger wissen, dass es Bruk-Bet Termalica Nieciecza gibt. Hand aufs Herz: Hast Du den Klub vorab gekannt
Spendlhofer: Nein, überhaupt nicht, das muss ich ehrlich sagen! Man kennt natürlich die großen Vereine in Polen und die großen Städte, aber ich habe weder den Verein gekannt noch gewusst, wo Nieciecza in Polen liegt.

krone.at: Deutschland, Italien, Spanien oder England, das sind klassische Sehnsuchts-Länder für rot-weiß-rote Fußballer – Polen gehört dagegen wohl eher nicht zu den typischen Zielen. Was hat Dich dazu gebracht, das Abenteuer Polen, das Abenteuer Nieciecza zu wagen?
Spendlhofer: Vor zwei Jahren ist das Abenteuer Israel zu Ende gegangen ist, obwohl das Jahr davor ein gutes gewesen wäre. Es hat zwar mit dem Verein noch Gespräche über eine weitere Zusammenarbeit gegeben, aber wir sind uns finanziell nicht einig geworden. Dann war es auch schon August, die meisten Ligen haben da schon gestartet und da will man als Spieler schnellstmöglich zu einer Mannschaft stoßen, bevor man die ganze Transfer-Periode verpasst. Genau da ist dann die Anfrage aus Polen gekommen – und binnen drei Tagen hat alles mit Nieciecza gepasst, wir sind uns gleich einig gewesen. Ich habe erst im Internet geschaut, wo der Ort ist, und mich dann über den Verein informiert. Dafür hab’ ich auch den Rajko Rep kontaktiert, den man Österreich wohl noch von Hartberg oder Klagenfurt her kennt, und der damals hier gespielt hat. Er hat mir nur Gutes erzählt über den Verein, was mir die Entscheidung leichter gemacht – mit dem Wissen, dass da einer ist, den ich kenne. Da es auch noch einen deutschen Spieler gegeben hat, habe ich mir gedacht, dass ich so schneller in die Mannschaft hineinfinden werde, auch wenn die Saison schon gestartet ist. Daher ist die Entscheidung klar gewesen: Okay, jetzt probieren wir das nächste Land, auch wenn es vor dieser Transferperiode, dass ich gesagt hätte: Ich will jetzt unbedingt nach Polen ...


krone.at: Apropos Abenteuer Polen, Abenteuer Nieciecza: Du weißt sicher, wie viele Einwohner der Ort hier hat?
Spendlhofer: Ich hätte gesagt 650 bis 700 Einwohner ...

krone.at: Für unsere User zur Einordnung – die bei uns in Österreich gerne einmal als Dorfklubs geschmähten SCR Altach, TSV Hartberg oder früher auch SV Grödig sind in Gemeinden beheimatet, die allesamt zumindest 6800 Einwohner haben. Selbst Deine Heimatgemeinde Pottschach ist bedeutend größer, oder?
Spendlhofer: Auf jeden Fall! Hier haben wir das Stadion mit drei Trainingsplätzen, daneben ist gleich die Kirche und sonst sind wir hier eigentlich in einem Dorf mit vielen Bauernhöfen, vielen Einfamilienhäusern. Hinten gibt’s noch die Firmenzentrale, also die Bürogebäude, die Produktion selbst ist in Tarnów beheimatet, in der der nächstgelegenen Großstadt. Aber sonst ist Nieciecza so, wie man sich ein Dorf vorstellt, sehr ländlich rundherum, viele Felder ...

Bild: Hannes Maierhofer

krone.at: Also da ist sogar Pottschach urban dagegen ...
Spendlhofer: Auf jeden Fall … (lacht)

krone.at: Ihr werdet die laufende Saison auf einem Fix-Aufstiegs-Platz abschließen, u.a. vor dem 14-fachen Meister Ruch Chorzów oder dem 13-fachen Meister Wisla Krakow. Da kann man aus Klub-Sicht durchaus mit der Saison zufrieden sein, oder?
Spendlhofer: Ja, das sind wir absolut! Das ist für mich vor zwei Jahren persönlich das Ziel gewesen, warum ich hierherkomme. Ich habe gesagt: Okay, Nieciecza ist zwar ein Zweitligist in Polen, aber ich habe die Vision, die Idee,die Philosophie schnell verstanden. Es istauch klar definiert worden: Der Verein will unbedingt aufsteigen! In den zwei Jahren seither hat man auch alles dafür unternommen, sich stetig weiterentwickelt – auch abseits des Platzes, was Professionalität und Infrastruktur angeht, das ist ein stetiger Prozess gewesen ... (denkt nach) Man muss natürlich sagen, dass das erste Jahr überhaupt nicht erfolgreich gewesen ist, da sind wir nur Dreizehnter geworden. Da haben wir die Saison im Februar oder März aufgegeben und einen Trainerwechsel durchgeführt, auch das hat eine Zeitlang gebraucht, weil wir komplett unseren Spielstil gewechselt haben. Am Ende des Tages sind wir aber ein Jahr später mit diesem Trainer aufgestiegen.

krone.at: Und wie schaut’s bei Dir persönlich aus? Kannst Du mit Deinen Leistungen in den zurückliegenden Wochen und Monaten gut leben?
Spendlhofer: Ehrlich gesagt, kann ich mit der Saison sehr gut leben! Mit dem ersten Jahr, als wir das Ziel klar verpasst haben, bin ich natürlich nicht so zufrieden gewesen, aber das spiegelt sich halt wider. Mit der zweiten Saison und dem Aufstieg bin ich sehr zufrieden ...

krone.at: Du bist ja auch unumstrittener Stammspieler …
Spendlhofer: 30 von 33 Spielen habe ich gemacht, also ja, ich bin zufrieden. Und ich glaube, auch der Trainer, sonst hätte er mich nicht immer aufgestellt …

krone.at: Abseits von Polen, Ukrainern und einem Slowaken gibt’s bei euch im Team, wenn ich mich nicht völlig verschaut habe, lediglich vier Nicht-Slawen – wie wirkt sich das sprachlich aus? Wie wird bei euch in der Mannschaft und mit dem Trainer kommuniziert?
Spendlhofer: Mit dem kompletten Staff und mit den Mitspielern wird auf Englisch kommuniziert. Ich bin jetzt zwei Jahre hier, da merkt man sich schon das eine oder das andere Wort auch auf Polnisch. Aber ich tue mir schwer mit der Sprache, das sage ich offen und ehrlich – wenn auch eher im Alltag, also wenn ich einkaufen gehe oder ins Restaurant. Die Teambesprechungen selbst macht der Trainer auf Polnisch, auch die Ausführungen auf der Taktiktafel, und da versteht man mit der Zeit schon immer mehr Wörter und Begriffe, weiß man schon auch auf Polnisch, was er sagt und haben will. Die Kommandos auf dem Platz mache ich inzwischen jedenfalls auf Polnisch, das funktioniert schon …

Bild: Tomasz Madejski

krone.at: Wie sind eigentlich die Fußball-Fans hier in Polen so drauf
Spendlhofer: Das Vorurteil mit den Hooligans, von denen es in Polen so viele geben soll, das kann ich so nicht bestätigen, davon hätte ich so nichts mitbekommen. Aber natürlich reden wir in der 2. Liga von kleineren Fan-Gruppen, von vielen kleineren Stadien, in die nur 4000 bis 5000 Zuschauer hineinpassen. Aber dann hat es auch in unserer Liga heuer viele Traditionsvereine gegeben, da sind die Auswärtsspiele schon sehr schön gewesen. Es spornt einen schon an, wenn man von 22.000 Leuten ausgepfiffen wird, wie bei Wisla Krakau zum Beispiel. Von der Fan-Kultur bin ich positiv überrascht, beim Spiel Ruch Chorzów gegen Wisla Kraków sind etwa 55.000 Zuschauer dabei gewesen – ein Stadion für 55.000 haben wir in Österreich gar nicht und da reden wir von der 2. polnischen Liga. Das ist schon was Besonderes, das darf man nicht unterschätzen.

krone.at: Nach drei Jahren Aufenthalt in Liga 2 geht’s für Nieciecza ab Sommer also in der Ekstraklasa weiter – was darf sich Dein Klub nach dem Aufstieg realistischerweise vornehmen? Kann es um etwas anderes als das bloße Überleben in dieser Liga gehen?
Spendlhofer: Na ja, „bloßes Überleben“, das klingt jetzt ein bisschen gar schroff. Aber natürlich, der Klassenerhalt wird das Ziel sein, da brauchen wir uns nichts vormachen. Ich glaube, wenn man sich gut vorbereitet, wenn alle fit sind und wenn man sich punktuell verstärkt, dann kann man oben schon eine gute Rolle spielen, vielleicht auch das eine oder andere Mal überraschen. Aber man braucht nicht sagen, dass man in die Top-5 oder in die Top-8 hineinmuss, ich glaube, das wäre realitätsfremd. Vor allem auch im ersten Jahr nach dem Aufstieg. Wenn Nieciecza die Liga hält, ob das jetzt als Fünfzehnter ist oder als Zehnter, dann würden wir das nehmen.

Bild: Krone KREATIV/krone.tv/Hannes Maierhofer, Tomasz Madejski, Bruk-Bet Termalica Nieciecza Klub SSA

krone.at: Kribbelt’s schon ein bisschen in den Beinen beim Gedanken an Duelle mit Raków Częstochowa, Lech Poznan, Legia Warszawa oder dem bis zum Winter von Österreichern geprägten Pogoń Szczecin?
Spendlhofer: Auf jeden Fall! Aber abseits von Legia, Lech oder Pogoń gibt es auch viele mehr, die man vielleicht gar nicht so kennt: etwa Widzew Lodz, die auch in jedem Spiel 20.000 Zuschauer haben, ein richtiger Hexenkessel. Es gibt richtig coole Stadien mit super Fans, es gibt einige Auswärtsspiele, die zum Highlight werden könnten.


Das Video und mehr zu diesem Beitrag gibt es auch auf krone.at.

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